Gründerzeit

4. Oktober – 13. November 2024

Georg Frauenschuh präsentiert in der Ausstellung Gründerzeit eine Reihe neuer Arbeiten, die sich gemeinsam an den terminologischen und bildhaften Grenzen von Abstraktion und Figuration zu schaffen machen. In der stets dynamischen Begegnung von Bildflächen setzt sich der in Wien lebende Künstler mit vermeintlich entgegenstehenden Auffassungen von Bildräumen auseinander. Das Ringen, Raufen und Konkurrieren verschiedenster Motive, Muster und Gesten ist dabei ein zentraler Aspekt in Frauenschuhs Erkundigung malerischer Repräsentation.

Das Betrachten von Frauenschuhs Bildern scheint häufig wie U-Bahn-fahren – es lässt sich nicht sagen, welches Ruckeln, Flimmern oder beständig beliebige Ächzen nach der nächsten, unabsehbaren Kurve folgt. Ähnlich einem kaleidoskopischen Prinzip ist kein Motiv je für sich alleine, sondern immer auch Fragment des nächsten. Das trifft auch auf eine werkübergreifende Betrachtung zu. Die Arbeiten, die sich zuweilen im Ausdruck als auch in der Konzeption zunächst deutlich voneinander zu unterscheiden scheinen, beleben doch ein und dieselbe Matrix. Als seien einzelne Bestandteile und Bilder nur Ausschnitte und Anverwandlungen eines größeren Ganzen, formieren sie sich in unerschöpflicher Variation zu Hybriden aus Gegenstandslosigkeit und Figuration.
Die Werkgruppen unterscheiden sich deutlicher noch als früher zunächst in dieser jeweiligen Tendenz zwischen Abstraktion, Informell und Anschaulichkeit. Motivlösende Verfahren setzen sich durch die Aneignung generisch erzeugter ClipArt-Elemente und Muster in Gang. Immer häufiger werden in den aktuellen Arbeiten des Künstlers nun diese ClipArts auch durch die eigene Person ersetzt oder ergänzt und der persönliche Körper so zum reinen Motiv sowie formalen Element. Ausschnitthaft und nahezu träumerisch wiedergegebene ästhetische Raumimpulse wie etwa Snapshots auf dem Weg ins Atelier, aus der U-Bahn oder Blicke aus dem Fenster konkretisieren die Bildflächen. Dabei scheint sich gerade in der Sequenz der Bilder eine Unterscheidung abstrakter und figurativer Stränge nach und nach zu relativieren. In einigen Arbeiten, werden die gegenständlichen Elemente vollständig von generativen Mustern abgelöst. Das Pattern, als bildnerisches Prinzip, begreift der Künstler dabei als ohnehin bereits angesiedelt zwischen Abstraktion und eigeständiger, authentischer Einheit. Die in Besitz genommenen, vorgefundenen Muster werden mit den gegenständlichen Teilen der anderen Arbeiten kongruent. Handelt es sich hier um Blow-ups, Close-ups, Fragmente oder Fortführungen? Zwei vermeintliche Parallelstränge gleichen sich an – sowohl explizit in einem Bild als auch zwischen ihnen als Werkgruppe.
Die Papierarbeiten setzen Frauenschuhs beständige Überlegungen zur Bildwürdigkeit und Bildunwürdigkeit fort. Anekdotenhaft skizziert in subversiven Impulsen, fast beiläufig neben dem eigentlichen Malprozess, illustrieren sie Auswüchse imaginärer Verästelung. Einzelne Komposita scheinen losgelöst vom Inhalt in der Fläche nur zögerlich Platz zu nehmen und setzen sich in kontinuierliche Spannung zueinander. Auch hier: Ein Bild besteht am Ende immer aus vielen. Bildräume ergeben sich durch die Begegnung von Bildflächen und Gesten. Der Widerspruch zwischen der ernsthaften, absichtsvollen Äußerung und einer stresshaften, lapidaren fällt, wie auch in der Aneignung von ClipArt-Elementen, weg.

Jede noch so profane Äußerung kann zur bildbringenden Möglichkeit erklärt werden. Die Thematisierung einer Allgegenwärtigkeit, Gleichgültigkeit sowie Gleichrangigkeit bildnerischer Motive ist zentral für Frauenschuhs Arbeiten.
Also bleibt am Ende die Gewissheit: So frei, beiläufig eine malerische Geste zuweilen sein mag, auf sie folgen immer irgendwann ernsthafte Prozesse der Bildfindung. Und diese liegen nie im Motiv, als vielmehr im Künstler.